Die Writing University Website hat am Freitag, 5.3. zwischen 11 -12.Uhr (CST) zu einem Echtzeit-Chat mit dem IWP Alumnus Tarek Eltayeb eingeladen.
Das Gespräch wurde durchgehend im Englisch und Deutsch gehalten; die nachfolgende Abschrift wird ins Englisch übersetzt.
English: Live Discussion
Live Discussion
Ashur Etwebi, Tripoli, Libya: Als Sohn von sudanesischen Eltern, in Ägypten geboren und in Österreich lebend: man würde annehmen, dass Du nicht zu viel von Nationalität als Identitätskategorie hältst. Welche von den drei Nationalitäten ist deine Haupt-Referenz - oder vielleicht gar keine?
Tarek Eltayeb: Es gibt für mich keine verschiedenen Identitäten, sondern eine Identität mit Vielfalt, in der sich immer wieder etwas ändern kann, etwas dazu kommen oder wegfallen kann. Für mich ist das wie ein ständiger Prozess, nichts Starres und Fertiges, sondern immer wieder Veränderbares. Identität birgt ein historisches und kulturelles Erbe in sich, aber keine Nationalflaggen oder Staatsnamen.
Es ist für mich wie mit den Sprachen - wenn man eine neue Sprache lernt, verliert man die andere nicht, sondern lernt etwas dazu.
Ich wurde in Kairo als Kind sudanesischer Eltern geboren, lebte 25 Jahre in Ägypten und lebe nun seit eben so langer Zeit in Österreich. Wie sollte ich hier eine Grenze zwischen diesen Orten ziehen, die mich alle geprägt und geformt haben, wie sollte ich einen davon vergessen oder auslöschen.
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Yasser Abdel-latif, Egypt -- Canada: Lieber Tarek-- Zählst Du dich zu ägyptischen, oder sudanesischen, oder gar arabischen Schriftstellern in der Europäischen Diaspora?
Tarek Eltayeb: Nein, ich möchte mich nur als Schriftsteller ohne bestimmte Zuschreibung zu einem bestimmten Land sehen. Natürlich, was die Sprache betrifft, in der ich schreibe, so ist diese Arabisch, meine Muttersprache und natürlich hat mich das Leben in Ägypten geprägt, so wie auch die Tatsache, dass ich sudanesische Wurzeln habe, und mittlerweile 25 Jahre in Wien lebe.
Die Sprache ist wohl ein Kriterium für Zugehörigkeit, doch eine Zuordnung ist für mich selbst unmöglich - ich habe in Ägypten meine arabischen Bücher publiziert und viele AutorInnen im arabischen Raum als Freunde und Kollegen, und dasselbe gilt für hier, ich habe hier meine Bücher in Übersetzung herausgebracht, mit anderen KollegInnen Lesungen gemacht, wurde schon öfter als österreichischer Autor eingeladen usw.
Ich habe kein Problem, wenn mich die Anderen zu einem bestimmten Land zuordnen, aber ich selbst kann das nicht.
Als Autor in der Diaspora sehe ich mich gar nicht - ich lebe 25 Jahre in Europa und kehre auch immer wieder nach Ägypten zurück, habe ständigen Kontakt und Verbindung.
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Nora, Iowa City IA US: Wie verschieden ist Deine Arbeit/ Dein Denkprozess, wenn Du auf Deutsch oder auf Arabisch schreibst? Gibt es einen Unterschied zwischen den zwei Schreib-Stimmen, sozusagen?
Tarek Eltayeb: Eigentlich schreibe ich literarische Texte bisher immer in meiner Muttersprache Arabisch. Doch zweifellos haben sich die beiden Sprachen mittlerweile in meinem Kopf aneinander gewöhnt und beeinflussen sich auch gegenseitig.
Ich liebe die deutsche Sprache, die meinen Alltag prägt und sogar schon meine Träume erobert hat, aber das Werkzeug meines Schreibens ist Arabisch geblieben, denn meine Augen, Gedanken und Buchstaben beharren darauf, von rechts nach links zu wandern.
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Douglas, North Liberty: Es scheint mir, dass Du vor ein paar Jahren bei IWP in Iowa warst. Wie hat es Dir hier gefallen?
Tarek Eltayeb: Mein Aufenthalt in Iowa im Rahmen des IWP war für mich in vieler Hinsicht eine sehr gute Erfahrung: zuerst einmal die Begegnung mit einer literarischen Familie, vielen AutorInnen aus verschiedenen Kontinenten mit unterschiedlichen Sprachen, das war eine außergewöhnliche Erfahrung für mich. Ich habe viel durch den ständigen Austausch mit den Anderen, die gemeinsamen Projekte, die Möglichkeit, bei Lesungen und Präsentationen den Anderen zuhören zu können, gelernt.
Das Leben in einer kleinen Universitätsstadt wie Iowa City mit seinem schönen Campus war für mich völlig neu und ganz anders wie die bisherigen Städte, in denen ich gelebt habe.
Es war für mich sehr positiv, wenn auch manchmal anstrengend, über den relativ langen Zeitraum von drei Monaten gezwungen zu sein, fast ausschließlich in einer Fremdsprache, in diesem Fall Englisch, zu sprechen. Besonders spannend waren für mich auch die Übersetzungsprojekte mit Menschen, die Englisch als Muttersprache hatten, aber kein Arabisch konnten, und mit ihnen einige meiner Texte aus dem Arabischen ins Englische zu übersetzen, durch mich als Vermittler, der versucht hat, über die englische Sprache meine Gedichte verständlich zu machen - ein Experiment.
Es gab eine ganze Reihe von kulturellen und literarischen Veranstaltungen und Besuche in Chicago, in SF, in Washington, Connecticut und New York und besonders die beiden Veranstaltungen an der Northwestern University und an der Georgetown U waren für mich sehr spannend.
Es war für mich eine sehr wertvolle Zeit, in der Freundschaften geschlossen wurden, in der es zu einem Austausch mit anderen AutorInnen kommen konnte, und vor allem auch, in der ich viel Ruhe hatte, ungestört literarisch zu arbeiten. So ist es mir gelungen, einen Gedichtband fertig zu stellen und die Idee für einen Roman zu einem Großteil umzusetzen (Wake Up in Iowa).
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Elizabeth, Iowa City: Hallo Tarek-- Wie war es, mit dem Between-the-Lines Programm zusammenzuarbeiten? Hat es Dir gefallen, mit ganz jungen Schriftstellern zu arbeiten?
Tarek Eltayeb: Ich war im Vorfeld zu BTL sehr gespannt auf diese beiden Wochen, da es auch für mich eine ganz neue Erfahrung werden sollte. Es hat mir sehr großen Spaß und Freude gemacht, mit diesen jungen, begabten und so unterschiedlichen Menschen zwei Wochen zu arbeiten. Ich hatte mir schon immer eine Begegnung dieser Art gewünscht, und es war für mich eine große Herausforderung. Ich habe sehr gerne mit dieser Gruppe gearbeitet und auch viel von den jungen AutorInnen gelernt und mitgenommen, mich sehr an ihrer Kreativität und ihrem Enthusiasmus erfreut.
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Erin, IC IA: Was ist deine tägliche Arbeitsroutine? Wann (im Laufe des Tages) schreibst Du am besten?
Tarek Eltayeb: Ich habe immer ein kleines Notizbuch bei mir und schreibe alles auf, was mir einfällt - manchmal nur Gedanken oder etwas, das ich beobachtet habe, manchmal auch ein Gedicht oder ein Gerüst dafür. Wenn sich dann vieles in diesem Büchlein gesammelt hat, die Ideen konkreter geworden sind, dann beginne ich meistens sehr intensiv zu arbeiten.
Ich habe keine fixen Tageszeiten, allerdings schreibe ich gerne nachts, wenn es ganz ruhig geworden ist.
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Ashur Etwebi, Tripoli, Libya: Do schreibst im einem breiten literarischen Spektrum: Poesie, Geschichten und Romane. In welcher von diesen Gattungen fühlst Du dich am besten?
Tarek Eltayeb: Schreiben ist für mich wie ein Strom, der durch verschiedene Landschaften fließt - von Bergen herab, durch Täler, Ebenen, Wälder, Steppen, durch kalte oder warme Regionen - doch sein Wasser bleibt immer dasselbe.
Zuerst ist da eine Idee in meinem Kopf - sie bestimmt eigentlich, in welcher Form ich sie zu Papier bringe.
Die Idee ist mein Rohstoff, aus dem ich Poesie oder Prosa mache, je nachdem, was mir beim Schreiben leichter fällt, wie die Idee für mich am besten auszudrücken und zu verarbeiten ist. Ich könnte also nicht wirklich sagen, womit ich mich am besten fühle.
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Ashur Etwebi, Tripoli, Libya: In einem von deinen Essays hast Du gesagt, dass du den sudanesischen Schriftsteller Altayeb Saleh (der die Einleitung zu einer von deinen Kurzgeschichtensammlungen verfasste) als einen (Kurzgeschichten- und nicht als einen Romanautor siehst. Warum denkst Du so, und bist Du noch immer dieser Ansicht?
Tarek Eltayeb: Das scheint ein Missverständnis zu sein, was ich damals sagen wollte, ist, dass ich Eltayeb Saleh für einen großartigen Schriftsteller halte und seine Begabung vor allem auch im Verfassen von Kurzgeschichten sehe, da ich denke, dass diese von vielen nicht die nötige Beachtung und Aufmerksamkeit erhalten haben.